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Erledigen Sie noch oder kümmern Sie sich schon?

Firmen bestehen eigentlich aus Mitarbeitenden und dem Rest. Deshalb sollten sich Führende um Kultur und Integration kümmern. Trotzdem interessieren sich die meisten eher für den Rest. Wie lässt sich das ändern?

Führende bevorzugen Fach- vor Führungsproblemen. Zum einen, weil erstere den Eindruck erwecken, dass sie durch Nachdenken, Disziplin und harte Arbeit gelöst werden können. Sie scheinen also endlich. Und deswegen lohnt es sich letztlich, sich damit auseinanderzusetzen, denn danach ist die Welt eine bessere (oder weniger schlimme). Führungsprobleme sind vermutlich ausnahmslos zwischenmenschliche Probleme. Und da Menschen nicht einfach «weg gehen», werden Führungsprobleme kommen und gehen, ganz egal wie aufwändig, umfassend und umsichtig man sich damit auch auseinandersetzt und einer Lösung herbeiführen möchte.Kaum sind die einen gelöst, zeichnen sich schon die nächsten ab – kurz: es ist schwierig eine «Besserung» zu erkennen.

Die Perspektive ist entscheidend

Führende rutschen meist in Führungsaufgaben, weil sie dadurch aufgefallen sind, dass sie Herausforderungen kreativ, energisch oder rasch angehen und erledigen. Ihre Beförderung zu Führenden ist damit eine indirekte Bestätigung, dass es sich lohnt, Dinge zu erledigen. Es verwundert also nicht, dass sie damit weiterfahren, auch wenn sie neue Rollen übernommen haben. Selten wird in Firmen das on-boarding über die Einarbeitung neuer Mitarbeitenden hinausgedacht und wahrgenommen. Obwohl neue Führende eigentlich nichts anderes sind. Wir kennen sie zwar, doch erwarten wir ein anderes Verhalten. Und im Gegensatz zu neuen Mitarbeitenden haben Führende eine viel grössere Systemwirkung – welche ihnen aus meiner Sicht unmissverständlich aufgezeigt werden sollte. Erst dadurch erkennen sie, dass neben dem Erledigen von Dingen eine ebenso wichtige und zuweilen zukunftsrelevantere Perspektive besteht: Dem Kümmern um andere. Und das ist nicht bloss eine Aufgabe, sondern ein stetiger Prozess. Ihn kann man nicht erledigen, sondern sollte ihn derart wahrnehmen und gestalten, dass er eine möglichst optimale Wirkung erzeugt: eine ausgezeichnete Kooperationskultur.

Dialoge in den Mittelpunkt stellen

Möglicherweise fragen Sie sich (oder Ihre Führungsteams), wie diese Wirkung entsteht. Sollen Mitarbeitende kooperieren, dann müssen sie miteinander kommunizieren – offen, ehrlich und transparent. Ob dies nun in einem persönlichen Gespräch geschieht oder über digitale Medien, der Dialog ist DAS kulturbildende Werkzeug schlechthin. Dadurch demonstrieren Führende, dass sie sich interessieren und sich kümmern. Und dass sie eben verstanden haben, dass sie in ihrer Rolle dafür sorgen sollten, dass Mitarbeitende ihre Aufgaben möglichst optimal erledigen können. Treten sie nicht in Dialog, dann gestalten sie ihr Umfeld entweder unbewusst, oder nach ihren eigenen Bedürfnissen oder nach denen, von denen sie glauben, dass sie Mitarbeitenden wichtig sind.

Nun sind Dialoge nicht unbedingt eine einfache Sache. Oft sind sie begleitet von Missverständnissen oder schlichtweg Meinungsverschiedenheiten. Sie können positiv starten und in heissen Diskussionen enden, zu Enttäuschungen führen oder Beziehungen zurückwerfen. Solange sie Transparenz und Klarheit schaffen, sind diese Rückschläge erträglich. Aus Sicht einer Erledigerin, wären solche Zwischenresultate jedoch ein Gräuel und vermutlich ein Beweis dafür, dass Dialoge nichts bringen und man sich besser auf aktuelle, operative Probleme stürzen sollte.

Systemwirkung in das Zielsystem integrieren

Menschen lernen ein neues Verhalten nur aus zwei Gründen: Entweder weil sie müssen oder weil sie wollen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Unternehmen Führende dazu bringen, sich tatsächlich als «Kulturschaffende» zu verhalten und diese (Teil-) Rolle im Alltag wahrzunehmen. Aus meiner Erfahrung haben sich die folgenden drei Schritte sehr bewährt:

  1. Ein gemeinsames Führungsverständnis formulieren.
  2. Persönliche Verhaltensziele definieren.
  3. Kontinuierliche Feedbackloops etablieren.

Führungsverständnis Ganz unabhängig davon, wie gross Ihr Unternehmen oder Ihre Organisationseinheit auch ist, es lohnt sich immer, sich mit allen Führenden zusammenzusetzen und darüber zu sprechen, was unter Führung verstanden wird oder verstanden werden sollte. Sie können diesen Prozess extern moderieren lassen oder selber führen, die folgenden Bausteine scheinen mir zentral. Dadurch sichern Sie sich eine zukunftsorientierte, positive Grundlage:

  • Führung ist eine ständige Aufgabe
  • Führung schafft Raum für Entwicklung
  • Führung ist prestige-frei.

Zudem verhindern diese drei Bausteine ein Abdriften in endlose Wortspiele und liefern eine greifbare Basis.

Verhaltensziele Danach stellen sich alle Führenden die für Ihre Organisation «ideale Teamleitende (z.B. Lina)» vor und halten gemeinsam fest, wie sie sich Lina in ihrer Führungsrolle idealerweise verhält. Vor diesem Hintergrund identifizieren alle Führenden, wo Sie Entwicklungsraum bei sich selber sehen (oder bei ihren Kolleg*innen oder Teamleitenden, etc.). Auf dieser Basis können nun alle ein persönliches Verhaltensziel festlegen (z.B. häufiger Feedback geben, mehr fragen, besser zuhören, unangenehme Gespräche umgehender angehen, etc.). Denken Sie daran, dass Sie Verhaltensziele die folgenden 4 Kriterien erfüllen sollten:

  1. Starten Sie mit «Ich…», um unspezifische Formulierungen zu vermeiden.
  2. Formulieren Sie Ihr Ziel in der Gegenwart und ohne Hilfsverben, um konkret zu bleiben.
  3. Formulieren Sie Ihr Ziel positiv, um eine «hin zu» Stimmung zu erzeugen (anstatt eine «weg von»).
  4. Bleiben Sie glaubwürdig, um sich selbst nicht zu überfordern oder unweigerlich zu enttäuschen.

Feedbackloops Eine Entwicklung entsteht nur dann, wenn Ereignisse reflektiert werden. Viele Führenden fühlen sich allein oder wagen sich nicht, über Herausforderungen zu sprechen. Deshalb können Sie in Ihren Führungsmeetings die Selbstreflektion einfach einplanen. Bringen Sie beispielsweise Führende in Tandems zusammen oder sprechen Sie alle gemeinsam über Fortschritte in einem Teamziel (z.B. mehrere Perspektiven einholen, Wirkung im System stärken, etc.)

Diese drei Bausteine sind wirksame Helfer, wenn es darum geht, die Systemwirkung der Führenden bewusst zu thematisieren, zu gestalten oder auch einzufordern. So schaffen es Führende, ihr Erlediger-Verhalten mehr und mehr abzulegen und sich im Gegenzug mehr zu kümmern und in wichtige Dialoge zu treten.

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